Am heutigen Welttierschutztag gibt Tieranwalt Antoine F. Goetschel Auskunft über seine Motivation, Ansichten und Pläne rund um den Tierschutz. Antoine F. Goetschel setzt sich seit Langem für die Besserstellung der Tiere durch das Recht ein. Ihm sind mehrere Verschärfungen in der Gesetzgebung zum Thema Tierschutz zu verdanken und er war massgeblich daran beteiligt, dass die Schweiz 1992 als weltweit erstes Land die «Würde der Kreatur» in die Verfassung aufnahm. Als Tieranwalt des Kantons Zürich befasste er sich zwischen 2007 und 2010 mit über 700 Fällen von Verstössen gegen das Tierschutzgesetz und vertrat die Tiere offiziell vor Gericht. Obwohl das Amt des Tieranwalts 2010 abgeschafft worden ist, kämpft er weiter für die Verbesserung der rechtlichen Stellung des Tieres. Zu diesem Zweck gründete er 2016 den Verein «Global Animal Law» (GAL), als dessen Präsident er nun amtet. GAL setzt sich unter anderem vor der UNO mit verschiedenen Projekten weltweit für den Tierschutz auf Gesetzesebene ein. Zudem hat Goetschel mehrere Bücher zu dieser Thematik geschrieben. Sein neues Werk «Animal Spa» ist kürzlich erschienen.
Antoine Goetschel, Sie haben von 2007 bis 2010 das Amt des Tieranwalts im Kanton Zürich innegehabt. Weshalb?
Ich wollte den Tieren in den Strafverfahren und in der Öffentlichkeit eine Stimme geben. Meiner Meinung nach sollte es den Tieren besser gehen – und der Gesellschaft geht es besser, wenn es den Tieren besser geht. Sie als zahlenmässige Mehrheit in die Gesellschaft zu integrieren, macht diese menschlicher. Aufgrund meiner juristischen Recherchen habe ich gemerkt, dass ein Gesetz nichts nützt, wenn es nicht angewendet werden kann. Die Zunahme der Fälle für den Tieranwalt zeigen, dass die Behörden bessere Arbeit verrichten, wenn man genauer hinschaut. Ich verstand meine Aufgabe im Amt als rechtliche Unterstützung für die Veterinärämter, die juristisch nicht so erfahren und somit den Anwälten der Gegenseite im Kampf um den Tierschutz rechtlich ausgesetzt waren.
Ein wichtiger Begriff des Tierschutzes ist die Tierwürde. Was bedeutet er genau und wieso ist er so wichtig?
Der Schutz des Tieres nur vor Schmerz und Leiden greift zu wenig weit. Man soll die Tiere auch in ihrer Würde, in ihrem Eigenwert und ihrem Selbstzweck an sich schützen. Es ist eine Entwürdigung, wenn das Tier nur noch das macht, was der Mensch ihm sagt. Es geht darum, das Tier nicht für menschliche Zwecke zu diskriminieren und es nicht lächerlich zu machen. Darüber hinaus ändert sich der Umgang mit den Tieren, der Mensch anerkennt den Wert und die Fähigkeiten von Tieren eher, wenn man dem Tier eine Würde zuspricht. Der Begriff der Würde stellt die Zukunft der Mensch-Tier-Beziehung dar und es soll weltweit damit gearbeitet werden. Das wollen wir mit unserem Verein «Global Animal Law» erreichen.
Ist die Würde des Tieres auch noch wichtig, wenn es kurz darauf geschlachtet wird? Sein Leben ist ja sowieso bald vorbei.
Es gehört zu Pflicht eines für die Schlachtung verantwortlichen Menschen, das körperliche und seelische Leiden des Tieres beim Schlachtvorgang maximal zu schützen. Dieser sollte für das Tier möglichst schonend und stressfrei erfolgen. Es gibt keine Gleichbehandlung im Unrecht: Nur weil das Schlachten an sich natürlich schon den grösstmöglichen Eingriff in das Tierleben darstellt, ist der Mensch nicht von der Pflicht entbunden, die Tiere auf dem Weg dorthin gut zu behandeln und deren Würde zu schützen.
Tierliebe wird häufig übertrieben, es gibt zum Beispiel Friseursalons für Hunde. Was sagen Sie dazu?
Friseursalons und die Tatsache, dass ein Tier gepflegt wird, finde ich gar nicht so schlimm, solange ein Tier Tier bleiben darf und nicht mit gefärbten Haaren oder Designerhalsbändern einzig zu menschlichen Zwecken verwendet wird. Ein Hund will Hund und nicht Modeobjekt sein, Kontakt zu anderen Hunden haben und sich auch einmal zurückziehen können. Bedenklich finde ich auch, wenn mit Tierliebe Fälle von Tierquälerei kaschiert werden, was beim Animal Hoarding, dem Halten von übermässig vielen Tieren zu tierunwürdigen Bedingungen, oder beim Sex mit Tieren vorkommt. Ein für ein Tier verantwortlicher Mensch muss sein Tier nicht lieben, er muss sich einfach seiner Verantwortung bewusst sein und gut mit ihm umgehen.
Sie kritisieren die menschliche Doppelmoral, wenn es um Tiere geht: Die Katze sitzt im Schoss, der Fisch landet in der Pfanne. Weshalb sind Sie auf Fotos trotzdem häufiger mit Katzen als mit Fischen zu sehen?
Hier unterwerfe ich mich etwas den Ritualen der Medien, die lieber Fotos mit Katzen und Hunden zeigen, weil diese der Öffentlichkeit vertrauter sind. Zudem hat es häufig auch praktikable Gründe: So posiere ich mit Hannah, unserem Therapiehund, der ab und zu hier im Büro ist. Das ist natürlich einfacher als von irgendwoher ein anderes Tier aufzutreiben. Aber ich habe auch schon mit Adlern, Kühen und Schweinen posiert. Hier bin ich nicht wählerisch.
Sind Tiere nicht ein notwendiges Opfer für den menschlichen Fortschritt? Ich denke hier vor allem an Tierversuche.
(Überlegt lange). Es gab tatsächlich Fortschritte dank Tierversuchen, die sich in der Gesundheit der Menschen und Tiere niederschlagen. Krankheiten, die vor einigen Jahrzehnten noch sehr gefährlich waren, sind heute ausgerottet. Das kann ich nicht verneinen. Allerdings werden viele schwer belastende Tierversuche in der Grundlagenforschung durchgeführt, wo man nie genau weiss, ob überhaupt etwas Sinnvolles dabei herauskommt. Hier sind Belastung und Nutzen nicht ausgewogen. Viele Tierversuche sind unnötig, weil sie bereits an anderen Ort durchgeführt worden sind und keine neuen Erkenntnisse liefern. Es würde Alternativmethoden geben, jedoch werden diese kaum thematisiert. Die Industrie ist übermächtig. Rechtlich gibt es kaum Mittel, Tierversuche auf eine unerlässliche Zahl zu verringern und die übrigen Versuche anzuzweifeln und zu verhindern, weil sie nicht zum menschlichen Fortschritt beitragen.
Und wie sieht es beim Fleischkonsum aus? Dieser sorgt ja für die Versorgung mit wichtigen Nährstoffen und ist somit ein Grund für den Fortschritt des Menschen.
Schaut man sich den Fleischkonsum des Menschen an, zeigt sich, dass die Ausnutzung von Tieren für menschliche Zwecke auch negative Folgen für den Menschen haben kann: Heute sterben sehr viele Menschen an vom übermässigen Fleischkonsum verursachten Übergewicht. In diesem Sinne sorgt der übermässige Fleischkonsum keineswegs für menschlichen Fortschritt, er ist sogar gefährlich für den Menschen.
Ist der Tierschutz nicht ein First-World-Problem, das nur in wohlhabenden Ländern zum Thema wird, weil man dort keine grösseren Sorgen hat?
Dem Menschen geht es nicht schlechter, wenn es dem Tier besser geht, im Gegenteil. In Schwarzafrika kann die Gesundheit eines Kamels für einen Bauern überlebenswichtig sein. Die Tiergesundheit und damit auch der Tierschutz spielen also wirtschaftlich eine grosse Rolle. Wir von der GAL wollen den Tierschutz global durchsetzen, auch in Entwicklungsländern, weil wir den Tierschutz eben genau nicht als First-World-Problem, sondern als globales Thema ansehen. Natürlich ist das Gesetz ein Abbild der Ansichten und Probleme in den jeweiligen Ländern und deshalb zum Beispiel in Afghanistan auch anders als hier. Jedoch sind wir davon überzeugt, dass auch dort Fortschritte im Tierschutz möglich sind, natürlich unter Berücksichtigung der örtlichen Wertvorstellungen und ohne dabei imperialistisch und besserwisserisch zu wirken.
Sie haben viele juristische Bücher geschrieben. Das neu erschienene «Animal Spa» scheint mir auf den ersten Blick anders, enthält aber auch viele Begriffe des Rechts. Was meinen Sie dazu?
Mit den Geschichten in meinem Buch versuche ich darzulegen, wie Tierschutz funktioniert und er funktionieren sollte. Daher werden viele juristische Begriffe genannt und erklärt. Damit will ich einen schärferen Blick auf die Thematik erreichen. In den Medien wird der Tierschutz häufig ethisch begründet, die Berichterstattung beschränkt sich auf Jöh-Geschichten oder Skandale. Weitere Schritte wie Verbesserungen in Recht und Vollzug bleiben aber aus. Mit «Animal Spa» will ich auf die eigentlich strukturellen Probleme aufmerksam machen. Für mich als Anwalt ist der rechtliche Tierschutz zentral, weil er durchgesetzt werden kann und muss. Tierschutz geht uns aber alle etwas an. Mit der eher humorvollen Schreibweise möchte ich eine breite Leserschaft ansprechen und sie zum Umdenken bewegen, weil nur durch Mehrheiten Gesetze verändert werden können. Interview: Gian-Andri Baumgartner
Heute ist Welttierschutztag
Seit 1931 gilt der 4. Oktober als internationaler Welttierschutztag, auch World Animal Day genannt. Diesem Tag nutzen Tierschutzorganisationen, um mit Aktionen und Informationsveranstaltungen auf ihre Anliegen aufmerksam zu machen und sich für einen würdevollen und artgerechten Umgang mit Tieren einzusetzen.
1925 erstmals veranstaltet
Die Idee für einen Welttierschutztag wurde zum ersten Mal 1924 vom deutschen Schriftsteller und Tierschützer Heinrich Zimmermann vorgebracht. Die erste Durchführung folgte am 4. Oktober 1925 im Rahmen einer lokalen Veranstaltung im Berliner Sportpalast. Bis zur ersten internationalen Durchführung vergingen allerdings noch sechs Jahre. Im Mai 1931 wurde auf dem internationalen Tierschutzkongress in Florenz beschlossen, den Tierschutztag international einzuführen. Daraufhin wurde der internationale Welttierschutztag am 4. Oktober desselben Jahres zum ersten Mal abgehalten.
Dass der Tierschutztag jeweils am 4. Oktober abgehalten wird, ist kein Zufall: An diesem Tag wird dem christlichen Heiligen Franz von Assisi, dem Gründer des Franziskaner-Ordens, gedacht. Der Legende nach hat Franz von Assisi sich stets stark für die Tiere als Geschöpfe Gottes eingesetzt und war für seine Tierpredigten bekannt. Heute gilt er als Schutzpatron der Tiere. (gab.)