Nachruf: «Live us em Schluefweg, Walter J. Scheibli»

wjs, wie sein Kürzel lautete, war ein Journalist mit Herzblut und ein unermesslich grosszügiger Mensch. Während über 20 Jahren schrieb er für den «Klotener Anzeiger» über den EHC Kloten.
Er war der von Radio 24. Der Sohn des berühmten Walter Scheibli. Wann genau wir uns das erste Mal trafen, daran erinnere ich mich nicht mehr. Es muss aber in der Nähe eines Aschenbechers gewesen sein. Walter J. Scheibli und ich waren in unseren jüngeren Jahren das, was man heftige Raucher nennt. Nach dem traditionellen Mittwoch-Fussball der Zürcher Journalisten im Sihlhölzli genehmigten wir uns zuerst mal eine Zigarette. Und lachten oder ärgerten uns über all die, die es in der Halle zu ernst genommen und es mit ihrem Einsatz übertrieben hatten. Walti hatte einen goldenen Fuss, ich eine grosse Lunge.
Mit den Jahren kamen wir uns näher. Beruflich, weil wir uns beim EHC oder beim ZSC immer wieder über den Weg liefen. Privat, weil wir gerne nach getaner Arbeit in einer gemütlicheren Atmosphäre bei einem Bier diskutierten. Radio (und Radio 24 im Speziellen) war damals noch was. Es gab pro Spiel mehrere Liveschaltungen. Da Vater Walter beim ZSC «gesetzt» war, übernahm Sohn Walter den EHC – und konnte von einigen sportlichen Höhenflügen berichten, als der ZSC noch ein Liftklub war.
Walti fuhr seinen Toyota Celica auch dann noch, als das Gefährt nicht einmal mehr für den Autofriedhof gut genug schien. Auch deshalb bildeten wir für längere Strecken eine Fahrgemeinschaft, mit meinem Auto natürlich. Das ging, obwohl wir beruflich Konkurrenten waren. Was man sich heute nicht mehr vorstellen kann: «Tages-Anzeiger» oder «Landbote» und «Zürcher Unterländer» waren eigenständige Produkte einer damals noch vielfältigen Medienlandschaft.


Eltern waren ihm ein und alles
Meistens sassen wir in den Stadien nebeneinander, diskutierten, analysierten. Walti sah an einem schlechten Tag des EHC schnell: «Es langed nöd.» Er blieb in seinen Kommentaren stets nüchtern, nie brach bei ihm der Fan durch. Nur manchmal, wenn die Technik nicht so wollte wie er oder ein neuer Transfer in keinem Fall das hielt, was man sich von ihm versprochen hatte, da fuhr er aus der Haut. Oder wenn ihn oder uns die Trainer unsäglich?– ja, unsäglich war sein Wort in diesen Situationen –, unsäglich lange warten liessen. Doch nie kam es ihm in den Sinn, sich selber in den Mittelpunkt zu stellen, er war stets für die Sache unterwegs.
Als Profi durch und durch berichtete Walti nicht nur über den EHC Kloten, sondern auch über die Zürcher Fussball­vereine, über Handball, über Weltklasse Zürich, er war an Eishockeyweltmeisterschaften dabei. Und stets war er an der Seite seines Vaters. Doch Walti war bei weitem nicht nur der Sohn des Walter Scheibli. Er hat sich selber einen Namen gemacht. Und er war ein unermesslich grosszügiger Mensch, sein Tod hat viele Leute traurig gemacht.
Mutter und Vater waren sein Ein und Alles. Als die Mutter nach einem Zwischenfall in Pflege musste, machte das Walti extrem zu schaffen. Ihren Tod konnte er nie wirklich verarbeiten, er zog sich praktisch aus dem öffentlichen Leben zurück. «Mir geht es schlecht», schrieb er mir im Januar 2021. Er könne nicht mehr arbeiten, er wolle sich nur noch um seinen Vater kümmern.
Seine Radioreportagen bleiben mir in ewiger Erinnerung, obwohl es die schon seit vielen Jahren nicht mehr gibt. «Für Radio 24 live us em Schluefwäg, Walter J. Scheibli». Er erklärte mir damals: «Das Stadion erwähne ich nur einmal, und zwar, wenn es meine letzte Schaltung am Abend ist.» Damit die Kollegen im Studio Bescheid wissen, dass jetzt nichts mehr von ihm kommt.
Seit Ende letzter Woche wissen wir alle, die darauf hofften, dich wieder einmal im Stadion zu sehen: Du kommst nicht mehr.
Aber vielleicht schaust du mal von oben zu. Machs guet, lieber Walti.
Roland Jauch

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