Schiessen im Militär: massiv weniger Gehörschäden

Heute erleiden massiv weniger Schweizer Soldaten während ihrer Dienstzeit einen Gehörschaden als noch vor 1990. Die Präventionsarbeit der Armee und der Militärversicherung hat gewirkt, wie aktuelle Auswertungen zeigen.
Über 160 Dezibel erzeugt der Schuss aus einem Sturmgewehr am Ohr des Schützen. Trotz der kurzen Einwirkungsdauer kann der laute Knall zu einem dauerhaften Gehörschaden führen. Zum Vergleich: Durchschnittlicher Strassenverkehrslärm kommt auf Schallpegel von 70 bis 80 Dezibel, eine Motorsäge auf 105 Dezibel. Ist das Gehör während längerer Zeit Schallpegeln über 85 Dezibel ausgesetzt, wird es dauerhaft geschädigt.
Traumatische Gehörschädigungen nach dem Militärdienst waren bei Schweizer Soldaten lange Zeit weit verbreitet. Heute ist das Risiko eines Milizsoldaten, während der Dienstzeit einen Gehörschaden zu erleiden, rund zehn Mal geringer als noch vor 1990. Grund für den Rückgang sind verschiedene Präventionsmassnahmen der Armee und der Militärversicherung (MV) in den letzten 30 Jahren wie aktuelle Auswertungen der MV zeigen.
Zuerst knallt‘s, dann pfeift‘s
Mitte der 60er-Jahre zeigten Untersuchungen, dass jeder fünfte normal hörende Rekrut nach der Rekrutenschule hochtonschwerhörig war. Doch nur wenige der Betroffenen meldete ihr Leiden der Militärversicherung. Die damalige Statistik weist jährlich rund 500 Fälle aus. «Vermutlich stellten sich die Männer zu dieser Zeit einfach darauf ein, dass es im Militärdienst knallt und man danach ein Pfeifen in den Ohren hat», sagt Stefan A. Dettwiler, Leiter der Militärversicherung. «Bei einigen haben die Beschwerden erst später eingesetzt.»
Ungenügender Schutz
Bis in die 70er-Jahre bestanden die Gehörschutzmassnahmen bei den Schiessübungen im Wesentlichen aus Gehörschutzpfropfen, die die Armee selber entwickelt hatte. Diese sollten theoretisch «Schiesslärm sperren, aber Befehle durchlassen». Ab 1974 konnten Soldaten zusätzlich Gehörschutzkapseln tragen. Diese waren allerdings für den Einsatz im Feld ungeeignet, da die Kapseln nicht unter den Helm passten.
Neben dem schlechten oder gar fehlenden Gehörschutz war das erste Sturmgewehr die Hauptursache für die zunehmenden Gehörschäden. Es lenkte mehr Schiesslärm zum Ohr des Schützen zurück als der Karabiner. Dies führte bis 1987 zu einem Anstieg der Gehörschäden auf 700 jährlich. Ein Grund zu handeln.

Persönlicher Pamir
Ende der 80er-Jahre führte die Armee den bekannten Pamir ein: Gehörschutzkapseln, die der Soldat auch mit Helm tragen konnte. Diesen Pamir erhielt jeder Soldat beim Dienstantritt zusammen mit den neuen Gehörschutzpfropfen aus Dehnschaumstoff. «Durch die Abgabe dieses persönlichen Sets wurde jeder einzelne Soldat in die Pflicht genommen, seine Ohren zu schützen», sagt Dettwiler. «Das war ein wichtiger Schritt.» Davor erhielten die Truppen die Gehörschutzmittel und es war in der Verantwortung des Vorgesetzten, dass diese ausgehändigt bzw. benutzt wurden. Zusätzlich lancierte die Militärische Unfallverhütungskommission die Kampagne «Gehörschutz tragen». Alle diese Massnahmen zeigten Wirkung. Heute registriert die MV jährlich noch rund 50 Gehörschäden. Dabei handelt es sich oft um Schädigungen, die sich bereits vor zehn oder mehr Jahren ereigneten. Ende 2016 stellte die MV ihre regelmässigen Gehöruntersuchungen bei den Berufsmilitärs ein. Sie stellte fest, dass Gehörschädigungen ausschliesslich nach Unfallereignissen auftraten, nicht wegen dem fehlenden Gehörschutz. (pd./Foto: zvg.)

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